ist der Enantiomerebegriff mit Sicherheit zunächst inhaltsleer. Und um
diesen mit Leben zu behauchen, bedarf es daher eines oder auch zweier
Aufhänger. Und ich habe als solche Aufhänger einmal den Grundstoff Styrol
und zum anderen den Wirkstoff Ibuprofen gewählt, weil ich meine, dass beide ihnen
zumindest vom Namen her vertraut sind. Ibuprofen beispielsweise ist der
Freinahme für den schmerzlindernden und entzündungshemmenden Wirkstoff
zahlreicher Präparate, die unter Kürzeln wie Ibuprop und ähnliches
weit verbreitet sind. Und das Styrol wiederum sollte ihnen auch zumindestens
vom Namen her bekannt geworden sein. Im vorigen Herbst, so Ende Oktober, ging es
durch alle Gazetten, als der Chemiefrachter die Iebolisan in einem
Sturm eingangs des Ermelkanals sank. Und dieser Dampfer war beladen mit etwa
4.000 Tonnen dieses Stoffes. Ein Zehntel trat etwa aus, allerdings ohne die
damals befürchteten Umweltschäden zu hinterlassen.
Nun, dass dieses so glimpflich abging, das hängt oder hängt mit einigen
physikalischen und chemischen Eigenschaften dieses Styrols zusammen, die
ich Ihnen zunächst ganz kurz erläutern möchte. Unten links sehen Sie ein
sogenanntes Kugelstabmodell der experimentell bestimmten Molekülstruktur.
In dieser geben die Kugeln die Lage der Atome an und die Stäbe symbolisieren
maßstabsgerecht den interatomaren Abstand bzw. die Länge der jeweiligen
chemischen Bindung. Das Styrol gehört zu den Benzolkohlenwasserstoffen und als
solches ist der zentrale Baustein des Styrolmoleküls ein aus sechs
Kohlenstoffatomen mit dem chemischen Symbol C im Kugelstabmodell schwarze
Kugeln aufgebauter planare Sechsring. Fünf der Kohlenstoffatome tragen noch
jeweils ein Wasserstoffatom und das sechste ist, wie Sie sehen, durch eine
Seitenkette, eine sogenannte vinylische Seitenkette, zwei Kohlenstoffatome
drei Wasserstoffatome substituiert. Sie werden sich vielleicht aus dem
Schulunterricht her erinnern, dass das Element Kohlenstoff als Atom in seinen
Verbindungen üblicherweise vier Bindungen zu Nachbaratomen betätigt.
Nun sehen Sie an der Molekülstruktur, dass jedes Kohlenstoffatom dort aber nur
drei nächste Nachbarn hat. Wenn wir also das Styrol in einer formelhaften
Schreibweise wiedergeben wollen, dann sind wir um der Vierbindigkeit des
Kohlenstoffs Rechnung zu tragen gezwungen zwischen je zwei der insgesamt
acht Kohlenstoffatome alternierend Doppelbindungen zu schreiben, wobei die
Orientierung der Doppelbindungen im Ring offen bleibt und letztendlich willkürlich
ist. Nun gelegentlich wird das Vinylbenzol oder das Styrol auch auf das
Ethylen C2H4, das wäre die Seitenkette, dann zurückgeführt, in welchem dann
eines der Wasserstoffatome durch einen Phenylring C6H5 substituiert ist, man
bezeichnet es dann als das Phenylethylen. Nun wenn wir den im Thema angerissenen
Weg vom Styrol zum Ibuprofen jetzt beschreiten wollen, dann müssen wir uns
zunächst mit einigen wichtigen Reaktionen des Styrols befassen.
Diese laufen typischerweise an der Seitenkette, an der vinylischen
Seitenkette ab, sie sind das reaktive Zentrum des Styrolmoleküls und ganz
charakteristisch sind dort Additionsreaktionen, bei denen sich also ein
Reaktionspartner an die Doppelbindung anlagert, eine der Doppelbindungskomponenten
aufbricht, sodass dann im resultierenden Produktmolekül jetzt wirklich ein jedes
Kohlenstoffatom vier Bindungen zu vier Nachbaratomen betätigt, man sagt dann
dieses Atom ist gesättigt, im Gegensatz zum ungesättigten Kohlenstoffatom an
einer Doppelbindung. Nun die bekannteste dieser Additionsreaktionen und auch die
industriell wichtigste ist die Selbstaddition des Styrols, bei der im
Grunde sich beliebig viele Nachbarmoleküle über die Vinylgruppe aneinander
Presenters
Prof. Dr. Lutz Dahlenburg
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:30:14 Min
Aufnahmedatum
2001-07-26
Hochgeladen am
2017-07-04 16:29:48
Sprache
de-DE